Das Meerwasseraquaristik-Fachmagazin KORALLE bietet jedem Meerwasseraquarianer eine Fülle interessanter, fundierter und modern gestalteter Beiträge. Es werden die unterschiedlichsten Aspekte behandelt: Aquarienpraxis, Haltung und Vermehrung einzelner Arten, biologische Hintergrundberichte, Aquarientechnik und -chemie, Neues aus der Wirtschaft, Buchmarkt, Reportagen und Reiseberichte, Interviews und vieles mehr; alles leicht verständlich, allgemein interessant und unterhaltsam. Die Zeitschrift erscheint zweimonatlich.

Aquarienanlage Deniz Sisman. Istanbul, die geschichtsträchtige Millionenstadt im Nordwesten der Türkei, steht für südländische Kultur und hektische Betriebsamkeit, für osmanische Moscheen und malerische Sonnenuntergänge. Inzwischen steht die Stadt nordlich des Marmarameers jedoch auch ein Bisschen für die Korallenfischzucht – und damit für einen erfüllten Traum.

Meine Laufbahn als Hobbyaquarianer begann Anfang der 1980er-Jahre, und wie bei vielen waren es auch bei mir zunächst Süßwasseraquarien, mit denen ich mich beschäftigte. Als wir uns jedoch im Sommerhaus meiner Familie aufhielten – ich war damals sieben Jahre alt – folgte ich meinem Vater mit Taucherbrille und Schwimmflossen ins Meer. Er jagte damals Fische zum Essen, die ich schließlich sammelte, während er weiterjagte. Das waren meine ersten Erfahrungen mit Meeresbewohnern. Später lief ich dann mit einem Kescher in der Hand die Küste entlang und versuchte, im Flachwasser Fische zu fangen. Allerdings sollten diese nicht verspeist werden, sondern, ganz im Gegenteil: Ich wollte versuchen, sie in einem Eimer zu pflegen. Sehr gegensätzliche Erfahrungen für einen Siebenjährigen ...



Einer Sage zugfolge gab es in Lykien im Süden der Türkei einige Jahrhunderte vor Christi Geburt heilige Fische, die man mit Flötenspiel an die Wasseroberfläche lockte, um sie über die Zukunft zu befragen. Vor diesem Hintergrund finde ich es eigentlich sehr schade, dass wir hier in der Türkei erst seit zwei oder drei Jahren öffentliche Großaquarien haben, die jeder besuchen kann. Das war aber einer der Gründe dafür, dass ich erst 1991 lebende Clownfische zu Gesicht bekam, und zwar in einem Aquaristik-Fachgeschäft. Allerdings war der Inhaber des Ladens nur mit der Süßwasseraquaristik vertraut; von Meerwassertieren und deren Umgebungsansprüchen verstand er so gut wie nichts. Folglich gelang es ihm nicht, die Tiere länger als eine Woche am Leben zu erhalten. Dies weckte in mir den unbändigen Wunsch, es besser zu machen und mich intensiv der Meeresaquaristik zu widmen. Meine eigenen Grundlagen dafür waren bescheiden, denn sie beschränkten sich auf meine Eimer-Aquarien als Siebenjähriger – nicht eben viel. Aber ich ließ mich nicht entmutigen und sah es als Herausforderung.

Aber das Schicksal machte es mir nicht leicht. Anfang der 1990er-Jahre gab es in meiner Umgebung in der Türkei keinerlei Meerwasseraquarianer, von denen ich hätte lernen können. Bücher über dieses Hobby gab es ebensowenig wie eine Zeitschrift. Die literarischen Grundlagen waren also gleich Null. Oder beinahe, denn ich fand eine kleine Broschüre der Firma Sera mit 72 Seiten, von denen ganze zwei Seiten Informationen für den Meerwasseraquaristik-Einsteiger bereithielten. Dieses Heftchen hütete ich wie einen Schatz, denn es es öffnete mir die Tür zu diesem faszinierenden Hobby. Jahrelang las ich diese beiden Seiten jeden Abend vor dem Schlafengehen, immer in der Hoffnung, irgendetwas zu entdecken, das ich zuvor übersehen hatte. Dabei kannte ich die Seiten längst auswendig und hätte sie auch rückwärts aufsagen können, so vertraut war ich mit jedem Buchstaben.

In der Broschüre las ich zum ersten Mal das Wort „Abschäumer“, doch dabei befand sich keine Abbildung. Ein Jahr lang versuchte ich vergeblich, herauszufinden, worum es sich dabei handelte, bis ich schließlich in einem Aquariengeschäft das Modell „Piccolo“ der Firma Sander sah. Doch dieses Gerät kostete bei uns in der Türkei damals umgerechnet mehr als 100.- €, für einen Schüler in der damaligen Zeit ein Vermögen. Ein Abschäumer war für mich also unerreichbar. Allerdings merkte ich mir genau, wie er aussah und funktionierte, und es dauerte nicht lange, bis ich ihn aus einer Plastikflasche nachgebaut hatte. Als Schaumtopf diente ein Joghurtbecher.

Mein Ziel war von Anfang an, Clownfische zu züchten. Zwar hatte ich damals keinerlei Informationen darüber, wie das vor sich geht; ich wusste nicht einmal, ob Clownfische überhaupt züchtbar sind, weil ich keinen Zugang zu Büchern und keinen Kontakt zu Meerwasseraquarianern hatte. Doch für mich stand felsenfest, dass ich alles daran setzen würde, es zu versuchen, immer und immer wieder, bis ich schließlich Erfolg hätte.  

Vor dem „Internet-Zeitalter“ sammelte ich auf meinen Auslandsreisen bergeweise deutsche Zeitschriften und Bücher über die Meeresaquaristik. Daheim verschlang ich alles, auf der Suche nach Informationen über das Hobby. Ich saugte das Wissen förmlich in mich auf, und mit der Verbreitung des Internets ergaben sich schließlich zusätzliche Lernmöglichkeiten. Allerdings konnte ich hier in der Türkei jahrelang kein geeignetes Zooplankton als Erstfutter für die Larven finden. Erst als ich von speziellen, besonders kleinen Artemianauplien erfuhr, die sich dafür eignen sollten, kam ich als Clownfischzüchter in die Startlöcher und bestellte sofort die ersten Dosen mit Artemiazysten aus der Schweiz.

Inzwischen war mein Amphiprion-frenatus-Paar zwar einem defekten Regelheizer zum Opfer gefallen, doch ich hatte noch mein Amphiprion-percula-Paar, das regelmäßig Gelege produzierte. Nach mehreren erfolglosen Larven-Fangversuchen gelang es mir, 23 geschlüpfte Larven in ein 15-l-Becken umzusetzen. Mit meinen importierten AF-Artemianauplien konnte ich zehn der Larven über die kritische Phase bringen und aufziehen. Das war ein erster, bescheidener Erfolg, doch ich war überwältigt und zugleich sehr ermutigt. Ich fing das Clownfischpaar aus dem SPS-Aquarium heraus und setzte es in ein spezielles Becken, das ich für dieses Brutstockpaar einrichtete. Nun konnte ich Amphiprion percula in großer Zahl züchten und damit Erfahrungen sammeln. Gleichzeitig reiften in anderen Becken weitere Zuchtpaare heren: Amphiprion ocellaris, die schwarze A.-ocellaris-Farbmorphe, A. frenatus, A. clarcki, Premnas epigrammata und andere. Und seit drei Jahren züchte ich diese Fische nun professionell, um den Aquaristikhandel meines Landes zu versorgen und sie anderen Aquarianern in der Türkei zugänglich zu machen. Und stets bin ich auf der Suche nach Zuchtpaaren weiterer Arten.

Mit diesen Erfolgen hatte ich zwar eines meiner Ziele erreicht, aber ich wollte schließlich nicht nur Clownfische züchten. Die maulbrütenden Banggai-Kardinalbarsche (Pterapogon kauderni) und die lebendgebärenden Seepferdchen standen auf meiner Liste ganz oben. Bei den „Kaudernis“ war die Herausforderung wirklich nicht besonders groß. Inzwischen züchte ich mit zwei F0-Zuchtpaaren und zwei F1-Paaren, wobei letztere so zusammengestellt wurden, dass sie keine Geschwister sind. Derzeit arbeite ich an Zoramia leptacantha. Bei Seepferdchen hingegen wurde die Nachzucht schwieriger, als ich es mir zunächst vorgestellt hatte. Zwar konnte ich Zuchtpaare im Ausland erwerben, doch noch heute muss ich daran arbeiten, die Überlebensrate der Jungtiere zu steigern. Ich konstruiere dazu unterschiedliche Larvenkreisel und entwickle durch akribisches Notieren aller Einzelheiten meine eigenen Aufzuchtprotokolle.

Bis heute konnte ich Hippocampus barbouri, H. kuda und in geringer Menge auch H. reidi nachziehen. Je kleiner das Kreiselbecken, um so schwieriger gestaltet es sich, das Wasser durch tägliche Teilwasserwechsel ausreichend sauber und keimfrei zu halten und dafür zu sorgen, dass die Wasserwerte einigermaßen stabil bleiben. Darum habe ich inzwischen einen größeren Larvenkreisel mit kleinem Nebenbecken konstruiert, was hoffentlich die Überlebensrate bei Hippocampus reidi und H. kuda steigert.

Was mir zur Zeit am meisten zu schaffen macht, ist die Optimierung meiner Nachzucht von Pseudochromis fridmani, denn ich möchte die Zahl der erfolgreich aufgezogenen Jungtiere noch deutlich steigern. Bei Pseudochromis aldabraensis warte ich auf die ersten Gelege. Mein entscheidendes Problem bei den Pseudochromiden war es, die Wasserqualität so konstant zu halten, dass ausreichend viele Larven aus dem Gelege zum Schlupf kamen. Dies gelang mir erst mit einem Gerät, das in der Süßwasseraquaristik für die Nachzucht maulbrütender Buntbarsche eingesetzt wird, und das ich mit Zeolith bestückte.

Inzwischen stehe ich in Verbindung mit Pedro I. Garcia-Miguel Gomez, dem Kurator des Istanbul-Aquariums. Von ihm erhalte ich Korallenfisch-Gelege aus dem öffentlichen Aquarium und versuche, Larven aufzuziehen und die betreffenden Arten dann weiterzuzüchten. Glücklicherweise wohne ich nur 15 Minuten von dem Aquarium entfernt, so dass der Larventransport kein Problem darstellt.

Da ich an vielen Arten arbeite und die Liste meiner erfolgreichen Nachzuchten noch verlängern will, habe ich neben Korallen- und Artenbecken (z. B. Seepferdchen) zwei neue Zuchtanlagen und eine Planktonanlage eingerichtet. Alle Becken sind separat, weil mir die Zuchtpaare sehr wichtig sind. Ich will nicht riskieren, sie durch eine Infektion zu verlieren, die sich von einem Becken auf andere ausbreitet. Freilich wäre ein zentraler Wasserkreislauf billiger und von der Wartung her sehr viel einfacher. Separate Becken bedeuten mehr Arbeit und Zeitaufwand, was für einen Züchter immer problematisch ist. Aber die Zuchtpaare sind mir den Aufwand wert. Meist befindet sich in diesen Becken nur ein einziges Zuchtpaar, doch bisweilen sind es auch zwei Paare unterschiedlicher Arten, die sich vertragen. Zu Clownfischpaaren setze ich z. B. gern ein Zwergbarsch- oder Kardinalbarschpaar. In jedem Becken befindet sich ein Gegenstromabschäumer. Alle Abschäumer werden über eine Ringleitung von zwei Membranpumpen mit Luft versorgt. Als Biofilter enthält jedes Becken eine kleine Filterkammer, die mit Lebendgestein gefüllt ist. Das Wasser läuft durch Biofilterwatte in diese Kammer hinein und wird über den Abschäumer in den Hauptteil des Beckens mit den Zuchtpaaren zurückgefördert. Der Raum ist gegen Wärmeverlust isoliert und wird rund um die Uhr mit einer Klimaanlage auf 26 °C gehalten. Und um sicherzustellen, dass alles in Ordnung ist, kann ich meine kleine Aquarienfisch-Farm 24 Stunden lang via Handy über eine Webcam ansehen.

Als nächstes plane ich, zwei meiner Korallenfischaquarien durch weitere Nachzuchtanlagen zu ersetzen. Die Natur kann uns Aquarianern nicht fortwährend Fische liefern, und vor allem endemisch lebende Arten mit winzigem Verbreitungsgebiet wie Pterapogon kauderni werden stets bedroht sein. Die meisten der im Aquarium gehaltenen Korallenfische sind heute leider noch Wildfänge. Das ist schade, denn Naturentnahmen sind gegenüber Nachzuchttieren viel empfindlicher und problematischer bei Eingewöhnung und Fütterung. Die Verluste während der Reise vom Fanggebiet zum Heimaquarium sind groß, und der allgemein weltweit zunehmende Druck auf Korallenriffe macht es nicht eben leichter, für die Aquaristik Tiere zu entnehmen. Darum versuche ich bei jeder Gelegenheit, Aquarianern die Vorteile von Nachzuchten plausibel zu machen, damit sie diese gegenüber billigeren Wildfängen bevorzugen, auch wenn sie etwas mehr kosten. Glauben Sie mir, sie sind den Mehrpreis wert!

Heute schwimmen meine Nachzuchten hier in der Türkei nicht nur in Heimaquarien, sondern auch in öffentlichen Großquarien und vermitteln dort Besuchern ein lebendiges Bild von der Welt unter Wasser, etwas, das ich mir zu Beginn meiner Nachzuchtlaufbahn nicht einmal im Traum hätte vorstellen können. Aber auch heute habe ich noch einen Traum: Viele großen Firmen in aller Welt, die sich mit der Nachzucht von Aquarientieren aus dem Korallenriff befassen, sind Familienunternehmen. Für die Zukunft wünsche ich mir, dass meine Tochter die Korallenfische ebenso ins Herz schließt wie ich, so dass meine kleine Farm der Beginn eines traditionsreichen Familienunternehmens sein kann, das der Meeresaquaristik ebenso Nutzen bringt, wie der Natur.

Deniz Sisman, İstanbul, Türkei

Erfolgreich vermehrte Arten:
Amphiprion percula (black)
Amphiprion ocellaris (orange)
Amphiprion ocellaris (black-darwin)
Amphiprion clarkii (Australia)
Premnas epigramma
Premnas biaculeatus
Pterapogon kauderni
Hippocampus kuda
Hippocampus reidi
Hippocampus barbouri
Pseudochromis fridmani
Cassiopea sp.
Berghia verrucicornis
Lysmata wurdemanni

Nachzuchtmethode bzw. Zuchtprotokoll in Vorbereitung:
Doryrhamphus japonicus
Pseudanthias squamipinnis
Chaetodon semilarvatus
Chrysiptera cyanea
Centropyge loricula
Amphiprion sandaracinos
Gramma loreto
Pterosynchiropus splendidus