Das Meerwasseraquaristik-Fachmagazin KORALLE bietet jedem Meerwasseraquarianer eine Fülle interessanter, fundierter und modern gestalteter Beiträge. Es werden die unterschiedlichsten Aspekte behandelt: Aquarienpraxis, Haltung und Vermehrung einzelner Arten, biologische Hintergrundberichte, Aquarientechnik und -chemie, Neues aus der Wirtschaft, Buchmarkt, Reportagen und Reiseberichte, Interviews und vieles mehr; alles leicht verständlich, allgemein interessant und unterhaltsam. Die Zeitschrift erscheint zweimonatlich.

2-3a_aquarienportraet65Aquarium Stefan Ebert

Stefan Ebert zeigt, was geschieht, wenn ein Maschinenbauingenieur sich nicht ein Aquarium ins Haus holt, sondern das Haus um das Aquarium herum baut.

Wer von einem Riffaquarium im eigenen Wohnzimmer träumt, der hat dabei bunte Fische und Korallen im Sinn sowie die Sehnsucht nach der beruhigenden Wirkung der Meerestiefen. Vermutlich erzähle ich Ihnen nichts Neues, wenn ich darauf hinweise, dass die Realität oftmals anders aussieht: Das Aquarium sondert unerträgliche Geräusche ab, ist nicht Ruhepol, sondern Fremdkörper in den heimischen vier Wänden, und gewiss wurde wegen lärmender Pumpen und Abschäumer zwischen Sessel und Sofa nicht erst eine Ehe geschieden. Glücklich ist also, wer nicht gezwungen ist, ein Aquarium nachträglich in den Wohnraum einzufügen, sondern beim Neubau eines Hauses von vornherein einplanen kann, den Glaskasten harmonisch zu integrieren und technische Aggregate hinter Mauern verschwinden zu lassen.

2-3b_aquarienportraet65Stefan Ebert ist Maschinenbauingenieur, und seine Leidenschaft für die perfekte Konstruktion offenbart sich auch im Privaten jedem, der sein Haus betritt. Ein völlig offenes Raumkonzept lässt die Wohnbereiche fließend ineinander übergehen, alles ist im Kleinen wie im Großen aufeinander abgestimmt. Ein solches Maß konzentrierter Ästhetik hat aber auch Schattenseiten: Bereits kleinere Stilsünden wirken vernichtend auf das Ganze, und so erschien es unumgänglich, auch beim Einbau eines Riffaquariums einen besonderen, vielleicht etwas extravaganten Weg zu beschreiten.

Ruhe, bitte!
Meerwasseraquarianer ist Stefan bereits seit vielen Jahren, doch bei seinem vorherigen Aquarium störte ihn einiges. Es handelte sich um ein Systemaquarium eines renommierten Herstellers, das zwar hervorragend geeignet war, um erste Erfahrungen bei der Pflege mariner Lebewesen zu sammeln, die Nerven des Besitzers aber stark belastete. Die Technik war laut, und weil sie sich schlecht verstecken ließ, schränkte sie die optische Illusion vom Korallenriff im Wohnzimmer stark ein. Beim Bau des neuen Hauses sollte alles besser, schöner und vor allem leiser werden!

2-3c_aquarienportraet65Ab in den Keller!
Der Planung eines unkonventionellen und für den Betrachter lautlosen Riffaquariums kam eine bauliche Besonderheit des Hauses zugute: Der Keller liegt neben dem im Erdgeschoss befindlichen Wohnzimmer und nur eine halbe Etage tiefer. Daraus ergibt sich eine Trennwand zwischen Wohnzimmer und Keller. In dieser Wand ließ Stefan bereits beim Hausbau eine Aussparung vorsehen, die bündig mit dem Wohnzimmerfußboden abschließt. Hinter jener Wandöffnung sollte ein Aquarium im Keller stehen können, das durch eine Sichtscheibe vom Erdgeschoss aus zu betrachten ist, ohne dass die Technikgeräusche in den Wohnraum dringen.

Neben der Verbannung der Aquarientechnik aus dem Wohnzimmer ergibt sich damit aber auch eine außergewöhnliche Betrachtungsperspektive: Im Keller steht das Aquarium fast direkt unter der Decke – wohnzimmerseitig schließt seine Unterkante aber bündig mit dem Fußboden ab, so dass der Blick ins Aquarium nicht wie üblich auf Augenhöhe, sondern eher von oben gewährt wird. In einem kleinen Zimmer – bei stets geringem Betrachtungsabstand – würde diese Perspektive vielleicht unangenehm wirken, doch aufgrund der Weitläufigkeit des offenen Wohnraums erschließen sich so ganz neue Blickwinkel, z. B. weil das Geschehen im Aquarium auch aus einer niedrigen Sitzposition, etwa vom Sofa aus, verfolgt werden kann.

Was lange währt ...,
Trotz der optimalen baulichen Voraussetzungen verstrichen nach dem Hausbau ganze vier Jahre, bis Stefan seinen ausgefeilten Plan auch in die Tat umsetzte – die Aquariennische fristete in der Zwischenzeit ein Dasein als Lagerplatz für Wein und Kaminholz. Nun wurde es aber Ernst! Im Keller wurde ein Untergestell aus Aluminiumprofilen installiert, und die Einrichtung des Aquariums konnte beginnen. Dabei sollten einige Fehler, die beim früheren Riffaquarium begangen worden waren, nicht wiederholt werden. So fiel z. B. die Entscheidung, zum Schutz vor „Trojanern“ keine Lebenden Steine direkt im Aquarium zu verwenden, sondern diese lediglich im Technikbecken zum „Impfen“ des Biotops einzusetzen.

2-3d_aquarienportraet65Das Riff wurde daher ausschließlich aus unbelebtem Riffgestein aufgebaut. Seine Konstruktion erwies sich aufgrund der besonderen Architektur aber als schwierig, denn zwischen der Oberkante des Aquariums und der Decke des Kellerraums blieb nur ein Spalt von 20 cm Höhe, den jeder Gegenstand auf dem Weg ins Aquarium passieren musste. Der Riffaufbau wurde deshalb in Einzelteilen ins Glasbecken gebracht und dort – mühsam durch den schmalen Spalt – zusammengefügt.
Stefan vermutete anfänglich, dass aufgrund des fehlenden Lebendgesteins nur eine geringe Denitrifikation stattfinden würde und nahm daher einen Nitratfilter in Betrieb, der jedoch schon nach einigen Monaten überflüssig wurde – so gut entwickelte sich das künstliche Riff.
Unklar war zu diesem Zeitpunkt jedoch noch, ob sich aus der besonderen Konstruktion des Aquariums nicht auch Probleme ergeben könnten. So sorgte Stefan sich um die HQI-Beleuchtung, die wegen des geringen Abstands zur Kellerdecke nur 7 cm von der Wasseroberfläche trennen, was möglicherweise zu Komplikationen aufgrund von Temperatur, Feuchtigkeit und Unzugänglichkeit hätte führen können.

... wird endlich gut!
Erfreulicherweise stellte sich heraus, dass der Plan bezüglich der Abschirmung des Lärms voll und ganz aufging. Kein Mucks von der Aquarientechnik ist im Wohnzimmer zu hören. Und auch das Riff macht sich hervorragend. Die Korallen wuchsen sogar so rasch, dass sich recht bald ein Nährstoffmangel einstellte, weshalb der Abschäumer heute nur noch stundenweise arbeiten darf.

Die zahlreichen kleinpolypigen Steinkorallen bezeichnet Stefan – halb im Spaß, halb im Ernst – als sein „Hauptproblem“, denn sie wachsen sehr schnell und müssen durch häufige gärtnerische Eingriffe im Zaum gehalten werden. Diese Pflegemaßnahmen gestalten sich aufgrund des nur 20 cm hohen Spaltes zwischen Aquarienoberkante und Kellerdecke jedoch äußerst mühsam. Auch die schnellwüchsigen Xenia umbellata bereiten in diesem Zusammenhang Schwierigkeiten, doch insgesamt handelt es sich hier wohl um Luxusprobleme, um die viele Aquarianer Stefan beneiden werden.

Die Entscheidung, das Aquarium mitsamt den technischen Aggregaten in den Keller zu verlegen, hat sich insgesamt als sehr glücklich erwiesen. Die Prämisse der Lautlosigkeit ist eingehalten, und die Tatsache, dass im Keller nach Herzenslust an der Technik gebastelt und, dank Ablauf im Boden, auf Zimperlichkeiten beim Wasserwechsel verzichtet werden kann, ist wohl die Erfüllung eines Männertraums.

Inken Krause

Artikel KORALLE 65: 72–75