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4-2Ich wollte meinen beiden Fehlverpaarten eine Freude machen und nahm je ein halbwüchsiges Fischlein. Na, denkste! Eine wüste Schlägerei brach aus, jeder gegen jeden...



Man sollte es eigentlich gar nicht erzählen, denn es klingt ein bisschen „an den Haaren herbeigezogen“ – aber es ist wahr, nicht aufgeschönt! Vor etlichen Jahren verschwand der eine Partner meines etwa 5–6 Jahre alten Chrysiptera-parasema-Paares, also der hübschen, blau strahlenden Gelbschwanzdemoiselle. Vermutlich war es das Weibchen, das plötzlich fehlte. Diese Fischlein, so klein und so adrett sie auch sind, können eklig sein, und eine vereinsamte Demoiselle vermag das vielleicht besser als ein Paar, das sich jederzeit abreagieren, da gegenseitig beschimpfen kann. Ich suchte also schnell nach Ersatz, fand aber keinen und nahm in meiner Notlage eine ganz winzige Scotts Demoiselle (Pomacentrus scottorum). Ein sehr hübsches, dunkelblaues Fischlein mit hellblauen Pünktchen. Sie wurde – wie erwartet – wochenlang nach Strich und Faden verprügelt, war aber, wie es alle Riffbarsche eben sind, hart im Nehmen, wurde letztlich toleriert und als Partner akzeptiert. Mit dem Ablaichen haperte es ab und zu, wahrscheinlich wollte die Neue nicht in die Seepocken-Schale, die ihre Vorgängerin gern angenommen hatte, sondern klebte das Gelege an die Scheibe, und das gefiel wiederum dem Alten nicht. Aber irgendwie arrangierten sie sich.

Etwa ein Jahr später gab es endlich beide Arten, Crysiptera parasema und Pomacentrus scottorum, gleichzeitig beim Fachhändler. Ich wollte meinen beiden Fehlverpaarten eine Freude machen und nahm je ein halbwüchsiges Fischlein. Na, denkste! Eine wüste Schlägerei brach aus, jeder gegen jeden, die Situation war absolut undurchsichtig und klärte sich erst nach etwa fünf Monaten. Dann aber bot sich folgendes, eher haarsträubendes Bild: Der zuerst gekaufte P. scottorum wollte seinen alten, offenbar für ihn ungeheuer attraktiven gelbschwänzigen Partner um nichts in der Welt aufgeben! Der allerdings war gar nicht so sehr auf den mittlerweile ausgewachsenen Dunkelblauen versessen und wäre vermutlich (und vielleicht sogar gern?) zur eigenen Art übergewechselt. Immerhin kannte er ja aus früherer, mehrjähriger Ehe-Erfahrung deren Aussehen! Und beide Neuerwerbungen waren durchaus artrichtig an dem jeweiligen Partner interessiert: Die neue Gelbschwanzdemoiselle tendierte zur „alten“ Gelbschwänzigen, der neue und etwas größere Scottorum fand großen Gefallen am vorhandenen Scottorum-Weibchen. Dieses aber verteidigte „seinen“ Gelbschwanz wie ein bissiger Terrier, knurrend stürzte es sich jedes Mal dem neuen Gelbschwanz und ebenso wütend dem neuen, Anschluss suchenden Blauen entgegen. Das Tier war derart hartnäckig, zäh und uneinsichtig, dass die beiden Neuen nun ihrerseits eine Tugend aus der Not machten und sich fehlverpaarten. Es blieb ihnen ja keine Alternative – außer vielleicht, als frustrierte Singles durchs Aquarium zu irren. Außerdem konnten sie gemeinsam die Attacken des Weibchens besser parieren.

Eine Erklärung gibt es da eigentlich nicht, außer vielleicht die eine: Das zuerst erworbene Scottorum-Weibchen war ja beim Zusammensetzen mit der verwitweten Gelbschwanzdemoiselle sehr klein, vielleicht tatsächlich noch Partner-unerfahren, vielleicht sogar „art-naiv“ und wurde auf den Gelbschwanz fehlgeprägt, in Ermangelung von „Besserem“. Und, wie wir seit Konrad Lorenz wissen: Prägungsvorgänge, die in die sensible Phase des Heranwachsens fallen, in ein bestimmtes „Prägungs-Zeitfenster“, sind nicht umkehrbar. Und so schaut es tatsächlich aus!

Prof. Dr. Ellen Thaler

Artikel KORALLE 52: 96