Das Meerwasseraquaristik-Fachmagazin KORALLE bietet jedem Meerwasseraquarianer eine Fülle interessanter, fundierter und modern gestalteter Beiträge. Es werden die unterschiedlichsten Aspekte behandelt: Aquarienpraxis, Haltung und Vermehrung einzelner Arten, biologische Hintergrundberichte, Aquarientechnik und -chemie, Neues aus der Wirtschaft, Buchmarkt, Reportagen und Reiseberichte, Interviews und vieles mehr; alles leicht verständlich, allgemein interessant und unterhaltsam. Die Zeitschrift erscheint zweimonatlich.

Nachzuchtaktivitäten von Korallenriffaquarianern kommen meist dadurch zustande, dass Aquarienfische ablaichen und beim Aquarianer der Wunsch entsteht, die Larven aufzuziehen. Das Beispiel von Dr. Rüdiger Bless zeigt aber, dass es sich bisweilen auch andersherum entwickelt.

Zur Meeresaquaristik kam ich mehr oder weniger zufällig durch das Buch von Mathew L. WITTENRICH (2007): The Complete Illustrated Breeder’s Guide To Marine Aquarium Fishes. Dieses Buch fiel mir Anfang 2009 in die Hände und machte mir klar, dass die Nachzucht von Korallenfischen nicht nur in wissenschaftlich geführten Einrichtungen möglich ist, sondern auch einem Hobbyaquarianer. Nach aufmerksamer Lektüre beschloss ich, im Aquarium künftig nur jene Tiere zu pflegen, die durch Nachzucht vermehrbar sind, denn nur auf diese Weise kann sich die Meerwasseraquaristik von Wildfängen unabhängig machen.



Zunächst suchte ich nach einer Korallenfischart, die sich dafür besonders gut eignet. Da ich auf diesem speziellen Gebiet aber kein „alter“, sondern eher ein „heuriger“ Hase war, musste ich mich zunächst erst einmal orientieren. Es dauerte eine Weile, bis ich auf die Gattung Amphiprion stieß, die Anemonen- oder Clownfische.

Bis heute wurden von den 30 beschriebenen Anemonenfischarten 19 in Menschenobhut vermehrt (ARVEDLUND et al. 2000, WILKERSON 2001). Mit ihren strahlenden Farben und ihrer faszinierenden symbiotischen Verbindung zu verschiedenen Seeanemonenarten waren und sind sie die Favoriten vieler Meerwasseraquarianer. Da sich diese Fische in der freien Natur am Korallenriff kaum von ihrer schutzgebenden Wirtsanemone entfernen, ist ihr Raumbedarf nicht sehr groß. Der „Miniozean“ im Glas sollte also theoretisch geeignet sein, ihre Lebensbedürfnisse optimal zu befriedigen.

Welche Clownfischart und welche Wirtsanemone sollte ich nun wählen? Die Pflege von Anemonenfischen ohne Seeanemone kam für mich nicht infrage, obwohl dies technisch möglich ist (WILKERSON 2001, WITTENRICH 2007). Da die Clownfische in der Natur nur mit den zu ihnen passenden Seeanemonenarten zusammen leben, ist eine artgerechte Haltung ohne diese schlicht nicht möglich (siehe auch MAI 2008). Unglücklicherweise ist die Pflege von Seeanemonen alles andere als einfach. Nach heutiger Kenntnis ist die dauerhafte Haltung bzw. Vermehrung bei den meisten infrage kommenden Arten bisher nicht gelungen. Aber Ausnahmen bestätigen die Regel: Die Blasen- oder Kupferanemone (Entacmaea quadricolor) ist vergleichsweise pflegeleicht und vermehrt sich unter Aquarienbedingungen, vorausgesetzt die Wasserqualität ist gut, die Strömung passt und das Licht ist geeignet.

Die Frage war nun, welche Amphiprion-Art wählt unter natürlichen Bedingungen Entacmaea als Wirt? Die Fachliteratur gibt dafür zehn Arten an (WILKERSON 2001). Ich entschied mich für den Schwarzflossen-Anemonenfisch (A. melanopus). Sein Verbreitungsgebiet liegt im Westpazifik und erstreckt sich von Bali, Fidschi, den Marschall-Inseln, Neuguinea und dem nördlichen Barriereriff bis zu den Salomonen, Tonga und Vanuatu, umfasst also ein riesiges Gebiet.

Über Amphiprion melanopus liegen bereits konkrete Untersuchungen zum Wachstum der Larven und Jungfische vor (ARVEDLUND et al. 2000). Diese Art ist ähnlich ansprechend gefärbt wie andere Spezies dieser Gattung. Die Maximallänge liegt bei ca. 10 cm, wobei die Männchen etwas kleiner bleiben als die dominanten Weibchen. Wie viele Korallenfische mach auch A. melanopus einen sozial gesteuerten Geschlechtswandel durch: Aus männlichen Tieren entwickeln sich unter passenden Umständen Weibchen. Die Biologie bezeichnet dies als protandrischen Hermaphroditismus. Die Voraussetzungen für einen Geschlechtswechsel sind dann gegeben, wenn das bisher dominierende Weibchen aus der Population verschwindet und somit der Platz für einen „Nachrücker“ frei wird. Die Auswahl an Arten für die Nachzucht war also getroffen, und nun war die Praxis an der Reihe.

Da ich aus meiner früheren Tätigkeit noch über einen Kellerraum mit Aquarieneinrichtung verfügte, musste ich nicht bei Null anfangen. Ich richtete ein 400 l fassendes Becken her und bestückte es mit Lebendgestein. Die Wasseraufbereitung erfolgte über ein Deep Sand Bed (DSB), mechanische Filter, Abschäumer und UV-Lampe. Das Wasser wurde durch Umkehrosmose aufbereitet. Da der schwierigste Teil der beabsichtigten Pflege nach meinen Recherchen bei der Haltung der Wirtsanemonen lag, begann ich mit zwei Entacmaea quadricolor. Zunächst wanderten diese im Aquarium umher, siedelten sich nach einigen Wochen aber in geeigneten Gesteinsspalten an, öffneten ihre Mundscheibe und streckten ihre Tentakel aus.

Larvenernährung
Den Ereignissen vorauseilend, begann ich, mir Gedanken zur Ernährung des zu erwartenden Fischnachwuchses zu machen. Es war klar, dass ich mit Grünwasser arbeiten und eine Phytoplanktonkultur anlegen musste. Eine Startkultur der einzelligen Alge Nannochloropsis salina konnte über den Handel bezogen werden. Meine Zuchtanlage besteht bis heute aus acht belüfteten 2-l-Klarglasflaschen – die ursprüngliche Füllung mit griechischem Wein war von mir persönlich bereits einer sinnvollen Verwendung zugeführt worden. Die Phytoplanktonkultur konnte also mit gebührendem Abstand zur Erzeugung der Fischlarven beginnen. Nach vielen Schwierigkeiten, über die ich als Anfänger ein Lied singen könnte, lief nun dieser Teil des Vorhabens, sodass ich in der Lage war, alle vier Tage ca. 8 l Phytoplankton zu ernten. Gedüngt wurde in viertägigem Intervall mit F/2-Dünger.

Das zweite Standbein der späteren Fischzucht war die Kultur von Zooplankton. Hier geht kein Weg an dem Rädertierchen Brachionus plicatilis vorbei. Ich stellte also drei 20-l-Aquarien auf und startete die Kultur nach den bewährten Rezepten. Als Futter für die Rädertierchen bewährte sich das Mittel „S. parkle“ der Firma INVE.

Als dritter Schritt der Vorbereitung wurden Kulturgefäße zur Erbrütung von Artemianauplien aufgestellt. Als Gefäße bewährten sich Zweiliter-PET-Flaschen, von denen der Boden entfernt wurde. Ich platzierte sie auf dem Kopf stehend in einem Styroporgestell. Hier sollten die besonders kleinen, aber dafür sehr teuren Artemianauplien von INVE erbrütet werden, die unter der Bezeichnung „Ocean Nutrition Speciality Artemia Cysts“ angeboten werden.

So weit die Vorbereitungen. Die Wirtsanemonen hatten sich zu diesem Zeitpunkt bereits dauerhaft etabliert. Eine von ihnen hatte nach drei Monaten sogar geteilt, ein gutes Zeichen. Nun konnten die Fische einziehen. Ich erwarb vier nicht geschlechtsreife Jungtiere, aus denen sich ein Zuchtpaar herausbilden sollte. Die Eingewöhnung verlief ohne Probleme, und bald entstand ein Hierarchiegefüge; ein zukünftiges Paar wurde erkennbar. Die anderen beiden führten eher ein Mauerblümchendasein, wurden allerdings von dem Paar toleriert, so dass es kaum Streit gab. Der gebotene Raum reichte offenbar aus, zumal sich in der Folgezeit weitere Wirtsanemonen teilten, so dass für jeden Fisch mindestens eine verfügbar war. Die Weichen waren also gestellt.

Wolfgang MAI (2008) beschreibt, dass es bei manchen Arten Jahre dauern kann, bis sie zur Fortpflanzung schreiten und Gelege erzeugen. Geduld war also gefragt. Es verstrichen etwas mehr als zwei Jahre, bis sich meine Anemonenfische dazu überreden ließen, Reproduktionsverhalten zu zeigen. Das dominante Weibchen war zwischenzeitlich von vier auf neun Zentimeter herangewachsen. Eine Lücke zwischen den lebenden Steinen wurde als Laichplatz gewählt. Sie lag glücklicherweise so, dass der Fortgang des Geschehens gut zu beobachten war. Das Ablaichen begann morgens gegen zehn Uhr, und es dauerte etwa zwei Stunden, bis das orange Gelege vollendet war. Das Weibchen klebte die Eier einzeln an die Unterseite eines fast waagerechten Überhanges in unmittelbarer Nähe einer schutzgebenden Wirtsanemone, wo sie sofort vom Männchen befruchtet wurden.

Von nun an erfolgte das Laichgeschäft kontinuierlich alle elf bis siebzehn Tage; nur hin und wieder wurden längere Pausen eingelegt. Zu Beginn des dritten Laichzyklus beobachtete ich eine Besonderheit: Das Paarungsgeschehen entwickelte sich derart, dass dem Weibchen zwei kleinere Tiere – also vermutlich Männchen – permanent in die Laichhöhle folgten und dort abwechselnd oder gleichzeitig ein Verhalten zeigten, das auf Besamung schließen ließ. Den letzten Nachweis über die Erfolge der Bemühungen beider Männchen konnte ich allerdings nicht führen. Auf eine solche „Ménage à trois“ konnte ich in der Fachliteratur keine Hinweise finden. Allerdings wiederholte sich dieses Verhalten in der Folgezeit nicht mehr, und ich vermute, dass zu jenem Zeitpunkt das Hierarchie- bzw. Dominanzgefüge der Vierergruppe noch nicht vollständig stabilisiert war.

Es ist bekannt, dass die Larven der Anemonenfische zwischen acht und zwölf Tage nach dem Ablaichen schlüpfen, abhängig von der Wassertemperatur. Der Schlupfvorgang erfolgte bei mir verteilt über den neunten und zehnten Tag nach Abschalten des Lichts (21 Uhr) im Zeitraum zwischen 21.30 und 22.30 Uhr; die Wassertemperatur betrug 27 °C. Die Larven sind fototrop, bewegen sich in der Dunkelheit also zum Licht hin. Um diese Eigenschaft zu nutzen, installierte ich eine Mondlichtlampe an dem Überlauf des Beckens. Die Larven wurden so in die Oberflächenströmung gelockt und gelangten damit in ein Auffanggefäß, das ich hinter dem Ablaufkamm angebracht hatte.

Die frisch geschlüpften Fischchen sind sehr empfindlich gegenüber mechanischen Kräften von Wasserturbulenzen und müssen darum sehr vorsichtig mit dem Auffanggefäß in den Brutbehälter überführt werden. Gelingt dies nicht schonend genug, sucht man eine quirlige Nachkommenschaft am nächsten Morgen vergebens. Als Brutbehälter verwende ich einen 60 l fassenden Mörtelkübel, in den zentral ein Überlaufrohr eingebaut wurde. Diese Anordnung mit senkrecht einstrahlendem Licht simuliert die Lichtverhältnisse im ozeanischen Lebensraum des Planktons – und zu dieser Lebensgemeinschaft gehören die Anemonenfischlarven aus biologischer Sicht während dieser Entwicklungsphase. Die dunklen, lichtundurchlässigen Seitenwände des Rundgefäßes lassen für die Larven keine horizontale Begrenzung erkennen – der Lebensraum wirkt aus ihrer Sicht also unendlich und ohne jegliche Hindernisse.

Als erste Nahrung dienten den Larven Rädertierchen, die allerdings speziell angereichert werden mussten, da ihr natürlicher Nährstoffgehalt für die weitere Entwicklung zu gering ist. Das Präparat „S. presso“ von INVE hat sich hier nach meiner Erfahrung gut bewährt. Zusätzlich fügte ich dem Larvenaufzuchtbecken täglich einen Liter Phytoplankton hinzu. Nach zwei Tagen konnte ich bereits zur Ernährung mit Artemianauplien übergehen. Zunächst begann ich mit frisch geschlüpften Nauplien, die ich bis zum 6. Tag gab. Vom 7. Tag an wurden ältere Salinenkrebsnauplien dazugegeben, ebenfalls mit „S. presso“ angereichert. Ab dem 9. Tag nach dem Larvenschlupf verfütterte ich ausschließlich angereicherte Artemieanauplien und ließ die Brachionus-Plankter weg. Ab dem 15. Tag wurde dem Wasser des Aufzuchtbehälters kein Phytoplankton mehr zugegeben. Zu dieser Zeit ergänzte ich die Nahrung mit staubfein gemahlenem Trockenfutter. Nach und nach gewöhnten sich die Zöglinge daran, was die Sache natürlich viel einfacher machte.

Ab dem 30. Tag wurde komplett auf künstliche Nahrung umgestellt. Wichtig war, bei der gesamten Aufzucht eine hohe Wasserqualität zu gewährleisten. Den Brutbehälter hielt ich so im Durchfluss, dass ab dem 3. Tag des Larvenlebens täglich ein Drittel des Wassers mit dem der Gesamtanlage ausgetauscht wurde. Die tägliche Zugabe von einem Liter Phytoplankton diente der zusätzlichen Ernährung der Nahrungsorganismen, dem Steigern ihres Nährwerts und der Verbesserung der Wasserqualität. Unter diesen Haltungsbedingungen war die Mortalitätsrate der Larven einigermaßen gering. In den ersten vier Tagen fand ich jeden Morgen drei bis vier tote Exemplare, später gab es bis zum 15. Tag kaum noch Verluste.

Ab dem 6. Tag nahm die Pigmentierung der Fischlarven deutlich zu. Ab dem 9. Tag begannen sie zu „schwärmen“; sie schwammen gemeinsam und gerichtet über Stunden im Rundbecken kreisend. Gleichzeitig entwickelte sich die Bindenfärbung. Zunächst zeigte sich die kopfnahe Binde (Kranialbinde), die auch die Elterntiere charakterisiert. Ab dem 11. Tag erschien vereinzelt die mediale, also mittlere Binde. Die Jungfische nahmen nun sukzessive eine mehr bodenorientierte Lebensweise auf, und das schwarmähnliche Schwimmverhalten wurde abgelegt. 17 Tage nach dem Schlüpfen bildeten sich die ersten Anfänge des schwanznahen Streifens (Kaudalbinde). Nach und nach komplettierte sich nun die Jugendfärbung. Ab dem 59. Tag begann die Reduktion des Streifenmusters, bis die ersten Tiere am 81. Tag die Färbung der Eltern zeigten.

Meine Nachzuchtfische waren nun so groß und robust, dass sie an einen Aquaristikfachhändler abgegeben werden konnten, zugegeben mit einigem sentimentalen Bedauern. Es verschafft schon große Befriedigung, einen selbst gezüchteten, gesunden Jungfischschwarm in seinen vier Glaswänden zu betrachten und heranwachsen zu sehen. Ich kann jedem KORALLE-Leser nur wärmstens empfehlen, das hier Beschriebene einmal selbst zu versuchen, auch mit derselben Art, dem Schwarzflossen-Anemonenfisch. Diese attraktive, interessante Spezies ist für erste Zuchtversuche sehr geeignet. Vielleicht kann man dann sogar gelegentlich einige Nachzuchtfische verkaufen. Reich wird man dadurch nicht, was mir sicherlich jeder Korallenfischzüchter bestätigen kann, aber immerhin kann es dadurch gelingen, die Ausgaben für sein Aquarium etwas zu senken.

Dr. Rüdiger Bless

Literatur:

ARVEDLUND, M., M. I. MCCORMICK & T. AINSWORTH (2000): Effects of Photoperiod on Growth of Larvae and Juveniles of the Anemonefish Amphiprion melanopus. – The ICLARM Quarterly, 23, 2: 18–23.

WILKERSON J. D. (2001): Clownfishes: A Guide to Their Captive Care, Breeding and Natural History. – T.F.H. Publications Inc., Neptune City, USA.

WITTENRICH, M. L. (2007): The Complete Illustrated Breeder’s Guide To Marine Aquarium Fishes. – T.F.H. Publications Inc., Neptune City, USA.

MAI, W. (2008): Clownfische im Meerwasseraquarium – Pflege und Nachzucht. – Natur und Tier - Verlag, Münster.