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Nicht alle Materialien, die in der Süßwasseraquaristik problemlos sind, eignen sich auch ohne Einschränkung für die Meerwasseraquaristik. Ein Beispiel dafür ist Weich-PVC.

Eigentlich ist es ein tolles Zeug, das Polyvinylchlorid, kurz PVC genannt. In den späten 1940er-Jahren war PVC der meistproduzierte Kunststoff der Welt. Dieses Material läutete das Ende der Schellackplatten ein und war bald überall als Fußbodenbelag, Fensterrahmen oder Abwasserrohr zu finden. All diese Verwendungen haben eines gemeinsam: die langjährige Nutzung. Das weist schon darauf hin, dass PVC sehr robust ist und sich durch ein Umgebungsmedium nicht verändert. Das gilt auch für Meerwasser: PVC ist meerwasserfest, was bei PVC-Abfällen im Ozeanwasser sogar zum Problem wird, denn sie verrotten nicht.



Folglich ist es nur konsequent, dass dieser Kunststoff auch in der Meerwasseraquaristik eingesetzt wird. PVC-Rohre oder -Platten sind nach bisherigen Erkenntnissen im Meerwasseraquarium selbst nach jahrelanger Nutzung nicht brüchiger als zuvor. Doch PVC hat einen entscheidenden Nachteil: Es bricht bei Biegung, weil es nicht flexibel ist, sondern spröde und hart. Dieses Problem löst man, indem man dem Material bei der Herstellung bestimmte chemische Substanzen als Weichmacher hinzumischt. Und genau hier beginnen die Probleme.

PVC wird von der Industrie durch verschiedene Additive an den jeweiligen Gebrauch angepasst. Dazu zählen neben diversen Stabilisatoren oder „Schlagzäh-Modifiern“ vor allem die erwähnten Weichmacher. Substanzen wie Phthalsäureester verändern die physikalischen Eigenschaften des Materials und machen es flexibel. Das ist eine Grundvoraussetzung dafür, anstelle eines starren Rohrs einen biegsamen Schlauch zu produzieren. Seit Jahrzehnten sind diese Schläuche aus der Aquaristik kaum wegzudenken. Zwar spielen sie in der Meerwasseraquaristik nicht die gleiche Rolle wie etwa die Schlauchverbindungen zwischen Aquarium und Topf-Außenfilter im Süßwasser, doch auch im typischen Meerwasseraquarium finden sich an unterschiedlichsten Stellen Schläuche – und in aller Regel bestehen diese aus Weich-PVC.

Der Schlauch wird zum Rohr
Die Weichmacher verbinden sich jedoch nicht wirklich mit dem Material. PVC besteht aus langen Molekülketten, und die Weichmacher lagern sich dazwischen. Dadurch kommt es zu einer physikalischen Ausdehnung des PVC-Materials, weil der Abstand zwischen den Molekülketten zunimmt und diese gegeneinander beweglich werden. Die Weichmacher sind allerdings dazu in der Lage, das PVC-Molekülkettengefüge zu verlassen und in ein Umgebungsmedium einzuwandern. Und dadurch wird das Weich-PVC wieder hart, was leicht an der nachlassenden Biegsamkeit eines Schlauchs festzustellen ist. Wird ein biegsamer Schlauch aus Weich-PVC im Lauf der Jahre also im Meerwasseraquarium zu einem starren Rohr, hat man den Beleg dafür, dass fortgesetzt Weichmacher an das Aquarienwasser abgegeben wurden.

Aber nicht nur angrenzende Flüssigkeiten können diese Stoffe aufnehmen, sondern eine solche Wanderung von Weichmachern kann sogar über einen angrenzenden Luftraum in benachbarte Stoffe erfolgen. Dabei nimmt man in der Luft einen charakteristischen Geruch wahr.

Wie gesagt: An sich ist PVC meerwasserbeständig, und Hart-PVC enthält keinerlei Weichmacher. Vom Weich-PVC hingegen gelangen die Weichmacher in bestimmte Umgebungsmedien. Im Regelfall handelt es sich dabei um die Phthalsäureester. Phthalate stehen in dem Verdacht, eine hormonähnliche Wirkung auf lebende Organismen zu entwickeln und beim Menschen Übergewicht und Unfruchtbarkeit hervorzurufen und Diabetes auszulösen. In einer EU-Untersuchung stellte man z. B. fest, dass bestimmte Phthalate auf Kinder vor und nach der Geburt feminisierend wirken, also eine verweiblichende Entwicklung auslösen – es wäre interessant zu wissen, wie weit sich dies auch in der Nachzucht von Meerestieren auswirken kann. Phthalat-Weichmacher schädigen Niere und Leber und stehen sogar im Verdacht, Krebserkrankungen auszulösen. Da diese Substanzen durch Hautkontakt, Speichel und über die Atemwege in den menschlichen Körper gelangen können, wurde Weich-PVC mit Phthalat-Weichmachern 1999 EU-weit in Kinderspielzeug verboten. Auch als Material für Lebensmittelverpackungen ist es nicht brauchbar, weil vor allem Fette Substanzen wie Phthalsäureester sehr schnell aufnehmen.

Logischerweise wirken sich die freigesetzten PVC-Weichmacher auf ein Aquarium umso stärker aus, je geringer sein Wasservolumen ist. Naturgemäß ist dies bei Nano-Riffaquarien also besonders problematisch. Die konkreten Folgen sind zwar unklar, doch stagnierendes Korallenwachstum, unerklärliches Molluskensterben, obskure Schmieralgen-Ausbreitungen – die Liste denkbarer möglicher Schädigungen ist lang.

Zwar lässt sich eine moderate Freisetzung im Meerwasseraquarium mit einiger Sicherheit durch permanente Aktivkohlefilterung auffangen, doch ist dies nicht immer ratsam, weil diese Fitermethode zu einer Mangelversorgung der Aquarientiere mit wichtigen Spurenelementen führen kann. Weitaus ratsamer ist es, das gesamte Problem zu umgehen und ein tatsächlich unbedenkliches Material einzusetzen.

Die Lösung: Silikon
Nicht in jedem Bereich des Lebens mag Silikon eine erfreuliche Lösung sein, doch in diesem Fall ist es das ganz bestimmt: Silikonschläuche für das Meerwasseraquarium. Schrecken Sie nicht vor hohen Meterpreisen zurück – Sie bekommen dafür weitaus mehr als nur ein Stück Schlauch. Sie erhalten Ihre Tiere in guter Verfassung und investieren in Gesundheit und Wachstum. Mehr noch: Sie haben bei der konsequenten Verwendung von Silikonschläuchen anstelle von Weich-PVC die Sicherheit, dass etwa auftretende Probleme nicht im Bereich einer Weichmacher-Ausschwemmung begründet sein können, und dadurch sind Sie in der Lage, gezielter nach den tatsächlichen Ursachen zu suchen.

Daniel Knop