Das Meerwasseraquaristik-Fachmagazin KORALLE bietet jedem Meerwasseraquarianer eine Fülle interessanter, fundierter und modern gestalteter Beiträge. Es werden die unterschiedlichsten Aspekte behandelt: Aquarienpraxis, Haltung und Vermehrung einzelner Arten, biologische Hintergrundberichte, Aquarientechnik und -chemie, Neues aus der Wirtschaft, Buchmarkt, Reportagen und Reiseberichte, Interviews und vieles mehr; alles leicht verständlich, allgemein interessant und unterhaltsam. Die Zeitschrift erscheint zweimonatlich.

1quallen_reefmixIm Schatten der europäischen Wirtschafts- und Finanzkrise schlägt in der Europäischen Union derzeit auch ein anderes Thema hohe Wellen: Die EU-Fischereipolitik. In einem internen, schließlich aber auch öffentlich diskutierten Papier stellt die EU-Kommission nüchtern fest: „Die EU-Fischereipolitik hat ihr Ziel nachhaltiger Fischerei in allen ihren Dimensionen – Umweltschutz, Wirtschaft und soziale Stabilität – verfehlt“. Die Bilanz: 63 % der Fischarten in EU-Gewässern seien stark überfischt, allen gut gemeinten, aber offenbar wenig schlagkräftigen politischen Maßnahmen zum Trotz.

Die schlechten Zukunftsaussichten für den Fischfang fördern aber die Kreativität mancher Pioniere. Auch, weil die glibberigen Nesseltiere etwa im Mittelmeer regelmäßig durch übermäßige Vermehrung zur Plage werden, fragen sich Querdenker – warum nicht vom Fisch auf die Qualle umsteigen?

In Asien stehen viele essbare Arten, etwa die Delikatessqualle Rhopilema esculentum, seit Jahrhunderten auf dem traditionellen Speisezettel. Und das nicht ohne Grund. Beinahe frei von Kalorien, Cholesterin und Fett, aufgrund des äußerst geringen Eigengeschmacks aber hervorragend als Geschmacksträger in unterschiedlichsten Gerichten geeignet, kommen Quallen auch den Bedürfnissen moderner, gesundheitsbewusster Europäer im Grunde sehr entgegen. Die Sterneküche hat das längst erkannt, und viele Spitzenköche experimentieren mit Quallen – ob im asiatisch inspirierten Quallensalat oder in ganz neuen Kreationen. Wird sich dieser Trend auch abseits der Edelgastronomie durchsetzen können?

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Die EU-Kommission hält dies offenbar für eine gute Idee. „Quallen sind nicht als Lebensmittel verboten“, bestätigte Maria Damanaki, Fischereikommissarin der EU, eine entsprechende Anfrage der spanischen Grünenpartei „Los Verdes“, die anscheinend ebenfalls das immense Potenzial der Quallen für die Ernährung erkannt hat. Da sie nirgendwo bedroht sind, dürfen Quallen unabhängig von ihrem Herkunftsland (das also auch außerhalb der EU liegen kann) ganz ohne Fangzertifikat gehandelt werden.

Ganz ohne Schwierigkeiten ist aber auch die Quallenfischerei nicht. Zum einen schwanken die Quallenvorkommen in Küstennähe saisonal recht stark, und zum anderen sind längst nicht alle Arten gleichermaßen für den menschlichen Verzehr geeignet. Außerdem verderben Quallen nach dem Fang noch wesentlich schneller als Fische, so dass sie möglichst sofort verarbeitet werden müssen. Das alles macht die Nutzung von Quallen als Nahrungsquelle und „grüne“ Alternative zum bedrohten Fisch zu einer nicht ganz unkomplizierten und somit eher teuren Angelegenheit. Je weiter die Überfischung der Meere aber voranschreitet und je knapper die Ressource Fisch somit wird, desto eher wird die Qualle wohl auch regelmäßig auf europäischen Tellern landen.

Wer sich schon einmal an den Gedanken gewöhnen möchte und mutig ist, findet hier ein Rezept für Quallensalat. Übrigens: Getrocknete, in Salz konservierte Quallen, die für dieses und andere Rezepte verwendet werden können, gibt es auch bei uns in manchen asiatischen Lebensmittelgeschäften.

Inken Krause


Quellen:
Michelis, Gerd F. (2011): Glibber für Gourmets. In: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 31.07.2011, Nr. 30, S. 49.
Kafsack, H. & S. Balzter (2011): Fischziele und Zielfische verfehlt. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 12.07.2011, Nr. 159, S. 13.


Bildnachweis:
Ohrenqualle (Aurelia aurita): D. Knop
Fische: I. Krause