Aquarianer wussten es ja eigentlich schon immer: Anemonen, diese nesselnden Schönheiten, haben Persönlichkeit – und eben oftmals ihren eigenen Kopf, wenn es z. B. um die Wahl des besten Standorts im Aquarium oder um überraschende (und für die Mitbewohner verheerende) „Wanderungen“ geht.
Britische Wissenschaftler haben in einer Studie mit Pferdeaktinien (Actinia equina) herausgefunden, dass diese individuelles, also persönlichkeitsabhängiges Verhalten zeigen. Was ist daran so überraschend? Biologen verstehen als „individuell“ Handlungen und Reaktionen, die erkennbar vom Verhalten der Artgenossen abweichen – und dabei reproduzierbar immer wieder beobachtet werden können, wobei äußere Einflüsse (z. B. abweichende Umweltbedingungen) als Ursache ausgeschlossen sein müssen. Bislang waren Forscher überzeugt, dass solche, nur vom Individuum abhängige Verhaltensweisen zumindest ein Gehirn voraussetzen. Das aber fehlt Anemonen, die sogar nur über ein äußerst simples Nervensystem verfügen.
Im Fall der Pferdeaktinien stellten die Biologen unterschiedliche Muster von „Schreckreaktionen“ fest, wenn die Tiere gestört wurden, so dass sie ihre Tentakel einzogen. Manche verhielten sich „ängstlicher“, während andere vermenschlichend als „mutiger“ bezeichnet werden könnten. Dieser Befund klingt zwar noch recht bescheiden, könnte aber weitere Erkenntnisse zur „Persönlichkeit“ von vermeintlich primitiven Anemonen nach sich ziehen. Und vielleicht ist die Diagnose „Charaktertier“ auch ein Trost für all diejenigen Aquarianer, deren Anemonen immer zum unpassendsten Zeitpunkt nesselnd über die schönsten und teuersten Steinkorallen „wandern“...
Inken Krause
Quelle:
Briffa, M. & J. Greenaway (2011): High in situ repeatability of behaviour indicates animal personality in the beadlet anemone Actinia equina (Cnidaria). In: PLoS One. 2011; 6(7): e21963. Epub 2011 Jul 6.
Bildnachweis:
Pferdeaktinie: D. Knop
Anemone mit Clownsfisch: I. Krause