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1GBRDas größte Korallenriff der Welt ist in Gefahr! Zwar ist diese Aussage nicht wirklich neu, aber die Erkenntnis, dass das australische Great Barrier Reef in nur 27 Jahren die Hälfte seiner Korallen verloren hat, wie Forscher des Australischen Instituts für Meereskunde in einer aktuellen Studie feststellen, sollte als Alarmsignal verstanden werden.

Das Hauptproblem des rund 2.000 km langen Great Barrier Reefs (GBR) vor der australischen Küste liegt allerdings nicht in der Meereserwärmung, wie oft zu lesen, sondern in Sturmschäden und der unkontrollierten Vermehrung korallenfressender Seesterne. Ein Massenaufkommen der Dornenkrone (Acanthaster planci) kann in betroffenen Riffzonen 40–90 % des lebenden Korallengewebes vernichten. In vielen Ländern kam es in den 1960er- und den 1980er-Jahren zu solchen Plagen, und derzeit entwickelt sich eine weitere im australischen GBR.

2GBR"Setzt sich dieser Trend fort, dann könnte hier innerhalb des kommenden Jahrzehnts wiederum die Hälfte der verbliebenen Korallengemeinschaften vernichtet werden“, erläutert der Leiter des Australian Institute of Marine Science (AIMS), Prof. Dr. John GUNN. „Sturmschäden machen 48 Prozent der Riffschäden aus und sind damit die größte Belastung, 42 Prozent werden durch Dornenkronenseesterne verursacht“, so GUNN. „Weitere zehn Prozent der Schäden werden durch das Korallenbleichen hervorgerufen. Es ist die Anhäufung aller drei Faktoren, die die Lage für das Riff so problematisch machen.“

Gegen Stürme, die infolge klimatischer Verschiebungen öfter auftreten, lässt sich nichts ausrichten. Darum versucht man, wenigstens die Seesternplagen unter Kontrolle zu bringen. Acanthaster-planci-Larven werden normalerweise von vielen Aufwuchsfressern wie herbivoren Fischen mit Algen abgeweidet, gewissermaßen als Wirbellosen-Beifraß. Um diese enormen Fraßverluste auszugleichen, produziert jedes adulte Exemplar jährlich bis zu 50 Millionen Larven. Das Fehlen von algenfressenden Fischen durch Überfischung begünstigt allerdings ebenso eine Massenvermehrung wie die Ausbreitung von Algen im Riff, die den Seesternlarven sicheren Lebensraum ohne ausreichenden Räuberdruck bieten. Auf diese Weise werden unnatürlich viele Larven erwachsen und haben dann kaum noch Fressfeinde.

3GBRDer Mensch versucht nun im australischen GBR, diesen natürlichen Räuberdruck zu ersetzen. Bisher wurden die Seesterne einzeln aufgesucht und getötet. Das können bei einem Tauchgang eines Teams viele Tausend Exemplare sein. Meeresbiologe Dr. Jairo RIVERA-POSADA hingegen ist auf der Suche nach einem effektiveren Weg. Er arbeitet im Labor mit einer Reinkultur einer bestimmten Bakterienart der Gattung Vibrio, die natürlicherweise auf dem Seestern vorkommt. Durch Zufall kam er auf die Idee, eine gewisse Menge der Kulturflüssigkeit in den Körper eines Seesterns zu injizieren.

Bald darauf geschah das Überraschende: Der Stachelhäuter zerfiel und ging zugrunde. Anschließende Untersuchungen förderten zutage, dass die Bakterien sich in der Nährlösung unnatürlich stark vermehrt hatten und so die Belastung für die Stachelhäuter zu groß war. Infolge der großen Bakteriendichte war das Immunsystem des Seesterns überfordert. Gleichzeitig entwickelte sich eine Überempfindlichkeitsreaktion auf die Massen fremder Proteine im Körper.
Vor allem stellte man bei folgenden Experimenten fest, dass diese Bakterien auch an Artgenossen weitergereicht wurden, sodass ein einzelnes Acanthaster-planci-Exemplar bis zu 500 weitere infizieren konnte. Daraus leiteten die Wissenschaftler die Hoffnung ab, mit diesem Mittel einen Weg gefunden zu haben, die Dornenkronenseestern-Plagen effektiver zu bekämpfen.

4GBRAllerdings stellt sich bei der Verbreitung krankmachender Bakterien in einem so sensiblen Lebensraum wie dem Korallenriff die Frage, ob hier nicht unter Umständen mehr Schaden verursacht als verhindert wird. Das Bakterium Vibrio owensi ist beispielsweise für das Massensterben von Montipora capitata in Hawaii verantwortlich, und das Enterobakterium Serratia marcescens aus dem menschlichen Darm verursacht im Süden Floridas dramatische Schäden in den Acropora-palmata-Beständen – diese Mikroben gelangen nachweislich durch den Menschen über Abwässer ins Meer. Mit einen solchen Vorgang entsteht eine unnatürliche Keimbelastung, der zahlreiche marine Organismen möglicherweise nicht gewachsen sind. Ob andere Tiergruppen darunter leiden, zeigt sich unter Umständen erst nach einer breiten Anwendung über einen längeren Zeitraum einer solchen Methode, sodass dann möglicherweise bereits Schäden verursacht wurden, die irreparabel sein könnten.

Daniel Knop