
Daniel Knop
Gelegentlich tauchen in der Meerwasseraquaristik Korallen auf, deren wissenschaftliche Zuordnung unklar ist, weil sich Taxonomen uneins sind. In einem Fall wurde jetzt Klarheit geschaffen.
Im Lauf der 2010er-Jahre tauchte in der Korallenriffaquaristik hier und da gelegentlich eine grüne Koralle auf, die zuvor niemand in Aquarien gesehen hatte. Zunächst wusste keiner, worum genau es sich dabei handelte. Es waren Octokorallen, und sie wuchsen sehr gedrungen, hatten kurze Polypen. Ihr Gewebe fühlte sich fest an. Diese Koralle erinnerte mich ein wenig an die Gattung Cladiella, wenngleich deren enorme Schleimsekretion fehlte und die Färbung völlig anders wirkte. Charakteristisch waren nicht nur die kräftig dunkelgrüne Färbung der Tentakel und das blaue Coenenchym – die gemeinsame Körpermasse der Korallenpolypen –, sondern auch die Tatsache, dass sich die Koralle beim Schließen der Polypen infolge eines Berührungsreizes von Grün nach Weiß umfärbte. Das ging darauf zurück, dass die Unterseite der Tentakel dicht sitzende Kalksklerite aufwies, die beim Schließen der Polypen sichtbar wurden und das Grün der Tentakel verdeckten. Ein ähnliches Phänomen kannte ich von Cladiella-Korallen, deren Braunfärbung bei einer Berührung durch den Polypenschluss zu einem flächendeckenden Weiß wurde.
Waren die Polypen dieser grünen Koralle geschlossen, hatte ihr Erscheinungsbild gewisse Ähnlichkeit mit Fotos, die Dr. Katharina Fabricius in ihrer gemeinsamen Buchveröffentlichung „Soft Corals and Sea Fans“ mit Dr. Phil Alderslade abgebildet hatte. Bei genauem Hinsehen bemerkte man zwar, dass den abgebildeten Korallen jede Grünfärbung ebenso fehlte wie der blaue Schimmer des Coenenchyms. Doch vielen Aquarianern schien Sympodium die einzige Koralle zu sein, deren Äußeres einigermaßen zu der unbekannten grünen Octokoralle passte, und so machte sich in der Meerwasseraquaristik in Europa und Nordamerika schnell die Überzeugung breit, es handle sich hier um Sympodium. Das Kuriose war, dass aquaristisch vermutlich niemand eine der beiden Sympodium-Arten S. caeruleum und S. tamatavense tatsächlich kannte, die damals wissenschaftlich gültig waren (alle übrigen acht Spezies wurden erst in den Jahren 2021 und 2024 erstbeschrieben), und an sich war Sympodium seinerzeit in der aquaristischen Literatur nicht präsent und auch nicht in Aquarien oder im Aquaristikfachhandel anzutreffen.
Mich überzeugte diese Sympodium-Zuordnung schon damals nicht, und ich vermutete in dieser Koralle etwas ganz anderes. Darum isolierte ich die Sklerite aus dem Gewebe dieser Koralle und verglich sie mit jenen, die im erwähnten Buch für Sympodium dargestellt waren: Der Unterschied war so dramatisch, dass es sich hier schlicht nicht um Sympodium handeln konnte.