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1schildkroeten_reefmixBedrohte Meeresschildkröten (Caretta caretta) zu Suppe zu verarbeiten, ist zumindest in der westlichen Welt längst verpönt. Vermutlich, weil mittlerweile hinlänglich bekannt ist, wie sehr dieses einzigartige und faszinierende Reptil in seiner Existenz gefährdet ist – vielleicht aber auch, weil der Mensch nicht gerne isst, was im ähnelt. Sie meinen, diese Ähnlichkeit hält sich in Grenzen?


Äußerlich haben Mensch und Schildkröte wirklich nicht viel gemein. Aber wenigstens zeigen Meeresschildkröten Verhaltensgewohnheiten, die an menschliche Vorlieben erinnern: Sie lieben es, ein ausgiebiges Sonnenbad zu nehmen.

Biologen aus Neapel haben im Mittelmeer beobachtet, dass Unechte Karettschildkröten (Caretta caretta) oft bis zu mehrere Stunden lang an der Wasseroberfläche verweilen und dabei völlig tatenlos sind, anstatt kleine Fische oder Wirbellose zu jagen. Eigentlich benötigen Meeresschildkröten nur wenige Minuten, um an der Oberfläche Luft zu holen, bevor sie erneut in größeren Tiefen auf Nahrungssuche gehen können. Warum also diese Sonnenbäder?

Da ausgiebige Ruhepausen vornehmlich in der Mittagszeit eingelegt werden, liegt die Antwort eigentlich auf der Hand: Tatsächlich wärmen sich die Tiere in der Sonne auf! In einer umfassenden Studie, in deren Verlauf Schildkröten mit Messgeräten ausgestattet wurden, die Tauchtiefe und Verweildauer an der Oberfläche protokollierten, konnten die Biologen für diese Vermutung nun auch den wissenschaftlichen Beweis liefern.

Notwendig ist das Aufwärmen an der Sonne deshalb, weil selbst das südliche Mittelmeer nur bis wenige Meter unter der Wasseroberfläche angenehm temperiert ist und Unechte Karettschildkröten oft in tieferem, folglich kalten Wasser Jagd auf kleine Fische sowie Krebs- und Weichtiere machen. Nach einem längeren Aufenthalt in häufig nur rund 10° C kühlem Wasser benötigen die wechselwarmen Reptilien Sonnenstrahlung, um Stoffwechsel und Beweglichkeit aufrechtzuerhalten. Wie beim Menschen ist Sonnenlicht auch bei Schildkröten zudem für die Produktion von Vitamin D notwendig, das für Wachstum und Stabilität der Knochen eine wichtige Rolle spielt.

Apropos Meeresschildkröten & Mensch: Zwar wird Caretta caretta in Anhang I des Washingtoner Artenschutzabkommens geführt, was einen internationalen Handel dieser stark bedrohten Spezies verbietet. In den Herkunftsländern werden sie dennoch manchmal im Aquaristikhandel angeboten – obwohl sie (mit Ausnahme von spezialisierten Großaquarien) überhaupt nicht in Menschenhand überleben können.

2schildkroeten_reefmixDas Bild zeigt die Tochter von KORALLE-Chefredakteur Daniel Knop, die gerade ein solches Jungtier in Manila (Philippinen) erworben hat, um es sogleich wieder ins Meer zu entlassen...

Inken Krause

Quelle:
HOCHSCHEID, S. / BENTIVEGNA, F. / HAMZA, A / HAYS, G. C. (2010). When surfacers do not dive: multiple significance of extended surface times in marine turtles. Journal of
Experimental Biology 213: 1328–1337.

Bildnachweis:
Meeresschildkröte (2 x): D. Knop