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1krebse_reefmixWie laut es in einem Korallenriff zugeht, weiß jeder, der im Urlaub schon einmal geschnorchelt ist oder gar einen Tauchschein besitzt – da knallt, schnappt, klackt und blubbert es an jeder Ecke! Dass der bunt vermischte Geräuschteppich, den z. B. Pistolenkrebse oder an Korallen knabbernde Papageifische erzeugen, anderen Lebewesen zur Orientierung dient, ist auch längst bekannt.

Fischlarven etwa, die ihre Entwicklung im Planktonstrom des Freiwassers durchlaufen haben, können anhand dieses Lärms versuchen, gezielt Korallenriffe anzusteuern, in denen sie sich niederlassen können.

Britische Wissenschaftler um den Meeresbiologen Dr. Stephen D. Simpson haben nun allerdings herausgefunden, dass die Geräuschkulisse nicht nur eine anziehende, sondern auf manche Tiere auch eine abschreckende Wirkung haben kann. Für solche Organismen nämlich, die auf dem Speisezettel vieler Riffbewohner stehen, sind die vom Riff ausgehenden Laute ein Warnsignal. Dies gilt z. B. für diverse Kleinkrebse, wie etwa Mysis-Garnelen, die sich ihrer Sicherheit zuliebe normalerweise nur nachts in die Nähe der Wasseroberfläche begeben, sowie für Flohkrebse (Amphipoda) und viele andere winzige Krustentiere.

Zu dieser Erkenntnis kamen die Forscher durch folgendes Experiment:

2krebse_reefmixAm Great Barrier Reef stellten sie nachts Lichtfallen auf, in denen kleine Planktonkrebse gefangen werden sollten. Die Hälfte der Fallen wurde mit einem „Soundtrack“ typischer Riffgeräusche ausgestattet, während die übrigen Fallen ohne Tonbandaufnahmen installiert wurden. Das Ergebnis fiel eindeutig aus: Viele (zoologisch völlig unterschiedliche) Kleinkrebse haben die Fallen mit den Riffgeräuschen gemieden und sich wesentlich häufiger für die „Ruhezone“ entschieden. Der damit erbrachte Nachweis, dass Geräusche in Riffbiotopen auch negative Reaktionen auslösen können, ist bislang einmalig.

Noch unklar ist aber auch für die Wissenschaftler, auf welche Art und Weise kleine Krebstiere „hören“ können, um diese Orientierungshilfe zu nutzen – denn über ein Gehörsystem, wie es die meisten Wirbeltiere besitzen, verfügen die kleinen Wirbellosen nicht.

Lärmschutz für Korallenriffe?

3krebse_reefmixViel wichtiger ist für Dr. Simpson und sein Team aber sowieso folgender Aspekt: Menschliche Aktivitäten stören durch den durch sie verursachten Lärm viele Unterwasserlebewesen – man denke etwa an die Wale, die möglicherweise durch die Geräusche von Schiffen und Bohrinseln von ihren Wanderrouten abgebracht werden und sich infolgedessen in völlig ungeeignete Gewässer verirren.

Jede neue Erkenntnis, die wir über die Bedeutung von akustischen Signalen für Meerestiere gewinnen, macht deutlich: Offensichtlich bringen wir mit unseren Krach nicht nur einzelne Arten, sondern vermutlich ganze Ökosysteme durcheinander. Es ist durchaus davon auszugehen, dass Planktonlebewesen, die Lärm als Warnsignal verstehen, sich von menschgemachten Geräuschen in die Irre führen lassen – und somit könnte die gesamte marine Nahrungskette aus dem Gleichgewicht geraten, an deren Anfang nun einmal Kleinkrebse stehen...

Inken Krause

Quelle:
SIMPSON, Stephen D. et al. (2011): Adaptive Avoidance of Reef Noise. PLoS ONE, 2011; 6 (2): e16625 DOI: 10.1371/journal.pone.0016625

Bildnachweis:
alle Fotos: I. Krause