Das Meerwasseraquaristik-Fachmagazin KORALLE bietet jedem Meerwasseraquarianer eine Fülle interessanter, fundierter und modern gestalteter Beiträge. Es werden die unterschiedlichsten Aspekte behandelt: Aquarienpraxis, Haltung und Vermehrung einzelner Arten, biologische Hintergrundberichte, Aquarientechnik und -chemie, Neues aus der Wirtschaft, Buchmarkt, Reportagen und Reiseberichte, Interviews und vieles mehr; alles leicht verständlich, allgemein interessant und unterhaltsam. Die Zeitschrift erscheint zweimonatlich.

4-1_valonia_macrophysaMan will mir einreden, dass das, was ich gerade betrachte, nicht hübsch ist, sondern hässlich. Aber ich will selbst entscheiden, was mir zu gefallen hat...

Eine eher lustige Begebenheit trug sich rund um die Tauchbasis „Donald Duck“ im Mangrove Bay Ressort im Roten Meer zu. Einer der beiden Inhaber, ein biologisch sehr interessierter, erfahrener und umsichtiger Tauchprofi, nimmt mich ab und zu persönlich unter seine Fittiche (vielleicht befürchtet er, dass ich da unten irgendwas Unerlaubtes anstelle). Diesmal kam er mit einer Frage, von der er sich erhoffte, dass ich als alte Biologin sie vielleicht beantworten könne, eine Frage, die ihn offenbar schon länger verfolgte. Bisher war niemand dazu imstande gewesen, zu helfen – man stelle sich vor, wie einen so etwas aufbaut! Er zieht mich also – ganz wörtlich – in die Tiefe, kommt fast bis ans 30-m-Limit, das im Roten Meer gilt, und bei 28 m Tiefe zeigt er auf eine dicke, große Valonia, die auf einer abgestorbenen Tischkorallen-Spitze sitzt. Das Licht ist dort noch gut, sehr blau schon, und seitliche Sonnenfinger lassen die grünglasige Kugelalge regelrecht aufleuchten – unwirklich sieht das aus, und zweifelsohne schön. Sie erinnert etwas an eine dieser Glaskugeln, die in allen möglichen Farben in manchen Blumenvorgärten als schmückendes Beiwerk herumstehen und einen Hauch von Gartenlauben-Flair verbreiten. Ich deute ihm an, dass ich weiß, was es ist, und zeige ihm noch einige weitere, kleine und deshalb unscheinbare Algenkügelchen, die im Skelettgewirr der Tischkoralle sitzen. Erst zurück an der Oberfläche kann ich ihn dann davon überzeugen, dass die Kleinen, wenn sie Glück haben und niemand sie vorher frisst, ebenso groß werden können, nämlich so wie „seine“, die ja fast tischtennisballgroß ist.

Der Tauchlehrer ist happy, denn offenbar nerven ihn immer wieder Taucher, die die Alge entdecken und wissen wollen, was es ist; sie wächst ja wirklich unübersehbar, weil sehr exponiert an dieser Stelle. Und er erzählt mir auch, dass sein ägyptischer Tauchpartner, dem sie ebenfalls aufgefallen ist, der sie aber auch nicht kennt, die Alge „Aladins Wunderlampe“ nennt und sie seinen Tauchschützlingen unter diesem Namen vorstellt. Wir finden, dass das ein sehr passender Name ist und dass man dabei bleiben soll. Wenn es dann doch irgendwer genauer wissen will – jetzt weiß man’s ja! Und ich hüte mich natürlich, zu erzählen, dass diese Kugelalge in der Meerwasserpraxis verpönt, ja verhasst ist, weil sie ihr Vermehrungspotenzial im Aquarium voll ausleben kann – niemand ist dann da, um es einzugrenzen. Ist sie etwa deswegen weniger schön? Ich sitze also vor einem meiner Aquarien und betrachte meinen bodendeckenden Valonia-Teppich. Ein paar der Algen sind auch schon recht groß, etwa bohnengroß, und ein 8 mm winziger, braun getupfter Lippfisch, den ich vor wenigen Wochen selbst gefangen habe, windet sich durch die grüne Pracht und jagt erfolgreich irgendwelche Krebschen. Ein kleiner Krugfisch ist auch mit von der Partie. Es sieht richtig hübsch aus!

Dennoch beginne ich, mich zu ärgern. Denn man will mir einreden, dass das, was ich gerade betrachte, nicht hübsch ist, sondern hässlich. Eine ganze Menge an Lebewesen, die ich tagtäglich bestaune, an denen ich mich erfreue, fällt in diese Kategorie: Braungoldene Hydrozoen-Schirmchen, terrassenartig wachsende, dunkelblaue Ohrenschwämme, fransige, ausladende Krusten- und Scheibenanemonen, die ab und zu sogar grünlich-bläulich irisieren und dann sofort von meinen Aquarianerkollegen hochgelobt und bewundert werden. Müssten sie nicht, mir gefallen sie in Samtbraun oder Beige genauso gut. Und meinen Fischen ist das eh wurscht! Im Gegenteil – vor neutral-gedämpfter Kulisse kommen die Fischfarben sowieso viel besser raus – aber das genau ist ja kein Thema! Irgendetwas läuft da wohl völlig schief, nicht nur bei mir, sondern insgesamt. Warum haben blaue Acroporen schön zu sein, grässlich rosafarbene Stylophora-Korallen ebenso? Warum sind Sternchen sprühende Lederkorallen, etwa eine Ehrenbergi, weniger „schön“ und braune Gorgonien-Vorhänge auch nichts wert? Ich fühle mich gegängelt. Ich will selbst entscheiden, was mir zu gefallen hat. Sollen sich andere für blöd verkaufen lassen – im wahrsten Sinn des Wortes. Es lebe die Valonia, die Wunderlampe Aladins! Ich werde nun ein bisschen daran reiben, wegen der drei Wünsche, die man dann offen hat. Eigentlich genügt mir schon einer ...

Prof. Dr. Ellen Thaler

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