Das Meerwasseraquaristik-Fachmagazin KORALLE bietet jedem Meerwasseraquarianer eine Fülle interessanter, fundierter und modern gestalteter Beiträge. Es werden die unterschiedlichsten Aspekte behandelt: Aquarienpraxis, Haltung und Vermehrung einzelner Arten, biologische Hintergrundberichte, Aquarientechnik und -chemie, Neues aus der Wirtschaft, Buchmarkt, Reportagen und Reiseberichte, Interviews und vieles mehr; alles leicht verständlich, allgemein interessant und unterhaltsam. Die Zeitschrift erscheint zweimonatlich.

3-3_zuechterecke47Copepoden und ihre Larven stellen die natürliche Hauptnahrung vieler mariner Fischlarven dar. Bisher gibt es kein verlässliches Verfahren zur Massenkultur mariner planktonischer Copepoden, also solcher Arten, die im Freiwasser leben. Wir möchten hier aber eine einfache Methode vorstellen, mit der sich als Ersatzorganismen semibenthische Copepoden in größerem Maßstab kultivieren lassen.



Copepoden-Nachzucht als Aufzuchtfutter
Semibenthische Copepoden (Harpacticoidea) sind Ruderfußkrebse, die in Bodennähe leben.
Gegenüber Artemien und Brachionus-Rädertierchen zeichnen sie sich als echte marine Organismen durch ihren deutlich besseren Nährwert aus (Mengenverhältnisse einzelner HUFA, hochgradig ungesättigte Fettsäuren). Adulte Copepoden der in Frage kommenden Arten leben direkt auf oder knapp über festen Substraten. Im Meer und im Aquarium sind dies die Oberflächen poröser Steine, Algen oder ähnliche Strukturen. Starterkulturen können leicht aus praktisch jedem Meerwasseraquarium gewonnen werden. Limitierende Faktoren für die Populationsdichte scheinen die besiedelbare Oberfläche und das Nahrungsangebot zu sein.

Behälter
Die betreffenden Copepoden lassen sich von jedem Aquarianer leicht in ausreichenden Mengen kultivieren. Offenbar werden horizontale Flächen gegenüber vertikalen bevorzugt, so dass in den Kulturgefäßen die besiedelbare Substratoberfläche (Boden) der limitierende Faktor ist. Daher eignen sich besonders flache Schalen oder Aquarien, mit einer im Verhältnis zur Wassermenge besonders großen Bodenfläche. Ich verwendete dafür Glasaquarien mit einer Grundfläche von 50 x 50 cm, 10 cm Höhe und 5–8 cm Wasserstand bzw. lebensmittelechte Kunststoffkisten aus dem Baumarkt (ca. 40 x 70 cm, 15 cm hoch). Temperatur und Salzgehalt sollten konstant gehalten werden und den Werten eines normalen Meerwasseraquariums entsprechen.

Die Kultur erfolgt am einfachsten direkt auf dem glatten Boden der Gefäße. Das Einbringen zusätzlicher Substrate zur Oberflächenvergrößerung ist unpraktisch, denn sie würden die Reinigung erschweren, zur Bildung sauerstofffreier Zonen führen und die Kontrolle der Kultur schwierig machen. Das Wasser wird leicht und grobperlig belüftet.

Fütterung
Zweiter limitierender Faktor für die Kultur ist die gleichmäßige Verfügbarkeit geeigneter Nahrung auf dem gesamten Boden der Kulturgefäße. Gefüttert wird mit Flockenfutter, Schwebefutter, flüssigem Planktonersatz oder Anreicherungskonzentraten. Diese sollen nicht schweben und sich auch nicht auflösen, sondern sich möglichst gleichmäßig in einer dünnen Schicht auf dem Boden niederschlagen.

Das Futter wird schnell und vollständig gefressen, und es entsteht ein sehr feiner lockerer Mulm (Detritus) aus den Ausscheidungen („fecal pellets“) der Copepoden. Dieser Mulm wird von Bakterien und Einzellern besiedelt, welche wiederum von den Copepoden aufgenommen werden und ihnen als Nahrung dienen. Diese Sekundärbesiedlung verhindert, dass der Mulm anfängt biologisch zu „kippen“ und anoxisch zu werden. Durch die leichte Belüftung sammelt sich der Mulm zu Häufchen an, und deren Umgebung wird stark von Copepoden besiedelt, die Häufchen selbst jedoch nicht. Sie werden bei zu großer Schichtdicke nach wenigen Tagen anoxisch und von einem meist weißen dichten Rasen von Bakterien überzogen. Geschieht dies, müssen sie abgesaugt werden.

Zur Reinigung der Kulturgefäße werden diese Häufchen mit einer Saugflasche entfernt. Das abgesaugte Wasser wird durch frisches Salzwasser ersetzt. Futtermenge, Wasserauffüllen, Temperaturkontrolle, Erntehäufigkeit und Kontrolle der Wasserqualität muss jeder selbst herausfinden; einfach langsam anfangen und ausprobieren. Läuft eine Kultur gut, können beliebig viele gleiche Gefäße dazukommen, um die Ausbeute zu erhöhen. Die Copepoden lassen sich mit einer Saugflasche leicht abernten und direkt verfüttern. Eine Aufreinigung der Ernte durch ein Sieb entsprechender Maschenweite oder eine Klimaverschlechterung ist ratsam.

Der Entwicklungszyklus der Copepoden dauert wenige Wochen, es ist also damit zu rechnen, dass 1–2 Monate vergehen, bis zum ersten Mal geerntet werden kann. Bei richtiger Pflege lassen sich anschließend aber über viele Monate große Mengen an Copepoden abernten, um diese direkt zu verfüttern oder sie als Startbesatz für weitere Kulturgefäße zu verwenden.

Copepoden entwickeln sich über fünf Nauplius- und fünf Copepodit-Stadien, die anfänglich eher planktonisch leben und später immer mehr zur benthischen Lebensweise des Adultstadiums übergehen. Die ersten Stadien sind sehr klein (20–30 µm), während die adulten Copepoden der häufigen Aquarienarten 0,5–1 mm erreichen. Eine Copepodenkultur bietet daher Futterorganismen in geeigneten Größen für die Larven verschiedenster Fischarten. Um die Kultur am Laufen zu halten, sollten Weibchen mit Eisäcken (siehe Abbildung) nicht verfüttert werden. Da sie durch den Eisack deutlich größer sind als andere adulte Tiere, wird dies am einfachsten gewährleistet, indem man sie mit Hilfe eines geeigneten Siebes abtrennt und dem Kulturgefäß wieder zuführt.

Verwendung
Solche semibenthischen Copepoden eignen sich als Futterorganismen besonders für solche Jungfische oder Fischlarven, die ihre Nahrung auf dem Boden oder an den Seitenscheiben suchen. Ich habe sehr gute Erfahrungen bei der Aufzucht von Seepferdchen gemacht, doch diese Copepoden sollten sich auch für Seenadeln oder Mandarinfische u. Ä. eignen. Doch Vorsicht: Geschwächte Fischlarven werden bei zu hoher Konzentration an adulten Copepoden in den Aufzuchtgefäßen von den Copepoden gefressen!

Dr. Holger Kraus

Artikel KORALLE 47: 72–74